DIE ZEIT: Strohmann gesucht
Warum Demokratie und Verfassung in Russland noch Schwächen haben: Internationale Pressestimmen zum neuen Coup des russischen Präsidenten Wladimir Putin
Von Alain-Xavier Wurst
Welches Staatsoberhaupt würde es akzeptieren, sich nach seiner Amtszeit als Premier herabstufen zu lassen? Seit spätestens Montagnachmittag wissen wir es: Wladimir Putin, zur Zeit noch Präsident Russlands. Das wäre "ein ziemlich realistischer Vorschlag", sagte er während einer Konferenz der Kreml-treuen Partei "Geeintes Russland", selbst wenn es "noch zu früh (sei), darüber nachzudenken."
Putin würde die Liste der Partei für die Parlamentswahlen im Dezember anführen. Dass er die Wahl verlieren könnte, ist eigentlich ausgeschlossen. Insofern ist der vorsichtige Satz des russischen Präsidenten kein Gedankenspiel, sondern könnte in zwei Monaten durchaus Realität werden.
"Damit sind die russischen Parlaments- und Präsidentenwahlen heute faktisch entschieden. Denn für das Volk ist es egal, ob Putin Präsident ist oder Premier: Es weiß, dass die Macht dort ist, wo er ist. (...) Nicht mal eine Änderung des Staatssystems wird nötig sein: Denn Putin selber ist das System. Und der Posten des Premiers hat noch einen anderen netten Vorzug: Es gibt keine Amtszeitbegrenzung", schreibt dazu der Zürcher Tages-Anzeiger.
Dass Putin an der Macht des zum Öl- und Gasgiganten aufgestiegenen Russland bleiben will, ist keine Neuigkeit. Zuvor hatte man ihm noch eine Zukunft im Energiekonzern Gasprom vorhergesagt, – denn wer Gasprom kontrolliert, kontrolliert auch Russland, zumindest, wenn er Putin heißt. Nun soll Putin in der Politik bleiben. Dafür braucht es einige Trickserei, um die Verfassung zu umgehen, die ihm eine dritte Kandidatur verbietet.
"Putin behauptete die ganze Zeit, sein Ziel sei ein starkes Russland, modern und international respektiert. Die jetzige krasse politische Manipulation wird den gegenteiligen Effekt haben und Russland schwächen in den Augen der Weltöffentlichkeit und vielleicht auch der eigenen Bürger", schreibt die New York Times. "Wenn sein einziger Beweggrund aber ist, an der Macht zu bleiben, dann wird er damit zeigen, dass nicht die Institutionen wichtig sind, sondern nur der Mensch, der sie manipuliert. Das ist nicht, was Russland jetzt braucht."
Ob Putin in den Augen der eigenen Bürger geschwächt wird, bleibt angesichts seiner Beliebtheit in der Bevölkerung mehr als fraglich. Für die italienische Repubblica könnte dies die Gespenster der Vergangenheit wieder wecken: "Angesichts von Putins enormer Popularität könnte 'Geeintes Russland' mit ihm als Chef bei den Wahlen an die zwei Drittel der Stimmen herankommen. Damit entstünde eine große Massenpartei, eine neue Staatspartei, wie wir sie bereits aus dem vergangenen Jahrhundert, dem der Totalitarismen, kennen."
Die Konstellation mit Putin als Premier wirft automatisch die Frage auf, welche Bedeutung dann der Präsident haben würde: "Wer besitzt die richtigen Eigenschaften, um den prunkvollen Sessel im Kreml in Erwartung der Rückkehr von Wladimir Putin warm zu halten? ", fragt die Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera, die uns die Identität eines möglichen Strohmanns verrät. "Vor Kurzem zum Regierungschef befördert, ist Viktor Subkow ein Vollstrecker aus einem Guss. Er ist betagt und war vor seiner Nominierung unbekannt. Subkow hat nicht ausgeschlossen (was ihm ohne Zustimmung des Chefs niemals in den Sinn gekommen wäre), für das Amt des Präsidenten im März zu kandidieren. Er ist heute der Favorit für eine Übergangszeit im Kreml."
Und die Londoner Times schließt die Reihe der internationalen Kritiker mit einer nüchternen Analyse, die zwar nicht ganz neu, aber nach wie vor treffend ist: "Die Folge davon wäre eine Umkehrung der Machtverhältnisse zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister. Dies unterstreicht die Schwäche der russischen Demokratie und der russischen Verfassung, die sich immer noch der dominanten Gestalt Putins zu beugen hat. Die Russen haben die wirtschaftlichen Errungenschaften der Putin-Präsidentschaft wohl begrüßt, aber viele von ihnen mögen durchaus gute Gründe dafür haben, dass sie seinen Einfluss auf das sich noch entwickelnde demokratische System bedauern."
Warum Demokratie und Verfassung in Russland noch Schwächen haben: Internationale Pressestimmen zum neuen Coup des russischen Präsidenten Wladimir Putin
Von Alain-Xavier Wurst
Welches Staatsoberhaupt würde es akzeptieren, sich nach seiner Amtszeit als Premier herabstufen zu lassen? Seit spätestens Montagnachmittag wissen wir es: Wladimir Putin, zur Zeit noch Präsident Russlands. Das wäre "ein ziemlich realistischer Vorschlag", sagte er während einer Konferenz der Kreml-treuen Partei "Geeintes Russland", selbst wenn es "noch zu früh (sei), darüber nachzudenken."
Putin würde die Liste der Partei für die Parlamentswahlen im Dezember anführen. Dass er die Wahl verlieren könnte, ist eigentlich ausgeschlossen. Insofern ist der vorsichtige Satz des russischen Präsidenten kein Gedankenspiel, sondern könnte in zwei Monaten durchaus Realität werden.
"Damit sind die russischen Parlaments- und Präsidentenwahlen heute faktisch entschieden. Denn für das Volk ist es egal, ob Putin Präsident ist oder Premier: Es weiß, dass die Macht dort ist, wo er ist. (...) Nicht mal eine Änderung des Staatssystems wird nötig sein: Denn Putin selber ist das System. Und der Posten des Premiers hat noch einen anderen netten Vorzug: Es gibt keine Amtszeitbegrenzung", schreibt dazu der Zürcher Tages-Anzeiger.
Dass Putin an der Macht des zum Öl- und Gasgiganten aufgestiegenen Russland bleiben will, ist keine Neuigkeit. Zuvor hatte man ihm noch eine Zukunft im Energiekonzern Gasprom vorhergesagt, – denn wer Gasprom kontrolliert, kontrolliert auch Russland, zumindest, wenn er Putin heißt. Nun soll Putin in der Politik bleiben. Dafür braucht es einige Trickserei, um die Verfassung zu umgehen, die ihm eine dritte Kandidatur verbietet.
"Putin behauptete die ganze Zeit, sein Ziel sei ein starkes Russland, modern und international respektiert. Die jetzige krasse politische Manipulation wird den gegenteiligen Effekt haben und Russland schwächen in den Augen der Weltöffentlichkeit und vielleicht auch der eigenen Bürger", schreibt die New York Times. "Wenn sein einziger Beweggrund aber ist, an der Macht zu bleiben, dann wird er damit zeigen, dass nicht die Institutionen wichtig sind, sondern nur der Mensch, der sie manipuliert. Das ist nicht, was Russland jetzt braucht."
Ob Putin in den Augen der eigenen Bürger geschwächt wird, bleibt angesichts seiner Beliebtheit in der Bevölkerung mehr als fraglich. Für die italienische Repubblica könnte dies die Gespenster der Vergangenheit wieder wecken: "Angesichts von Putins enormer Popularität könnte 'Geeintes Russland' mit ihm als Chef bei den Wahlen an die zwei Drittel der Stimmen herankommen. Damit entstünde eine große Massenpartei, eine neue Staatspartei, wie wir sie bereits aus dem vergangenen Jahrhundert, dem der Totalitarismen, kennen."
Die Konstellation mit Putin als Premier wirft automatisch die Frage auf, welche Bedeutung dann der Präsident haben würde: "Wer besitzt die richtigen Eigenschaften, um den prunkvollen Sessel im Kreml in Erwartung der Rückkehr von Wladimir Putin warm zu halten? ", fragt die Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera, die uns die Identität eines möglichen Strohmanns verrät. "Vor Kurzem zum Regierungschef befördert, ist Viktor Subkow ein Vollstrecker aus einem Guss. Er ist betagt und war vor seiner Nominierung unbekannt. Subkow hat nicht ausgeschlossen (was ihm ohne Zustimmung des Chefs niemals in den Sinn gekommen wäre), für das Amt des Präsidenten im März zu kandidieren. Er ist heute der Favorit für eine Übergangszeit im Kreml."
Und die Londoner Times schließt die Reihe der internationalen Kritiker mit einer nüchternen Analyse, die zwar nicht ganz neu, aber nach wie vor treffend ist: "Die Folge davon wäre eine Umkehrung der Machtverhältnisse zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister. Dies unterstreicht die Schwäche der russischen Demokratie und der russischen Verfassung, die sich immer noch der dominanten Gestalt Putins zu beugen hat. Die Russen haben die wirtschaftlichen Errungenschaften der Putin-Präsidentschaft wohl begrüßt, aber viele von ihnen mögen durchaus gute Gründe dafür haben, dass sie seinen Einfluss auf das sich noch entwickelnde demokratische System bedauern."
